Und hier ist Folge 01 des Podcasts! Hören Sie erst rein und lesen Sie dann weiter.
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In dieser ersten Einheit erfahren Sie, was „Exegese“ eigentlich ist und warum Sie ein Semester lang etwas über Methoden lernen werden. Es geht direkt los mit einer kleinen interaktiven Einheit.
Inhalt
Was ist Exegese?
Überlegen Sie (gerne auch mit anderen zusammen): Was bedeutet „Exegese“ Ihrer Meinung nach?
Definition „Exegese“
Lesen Sie sich die Definition von Exegese Schritt für Schritt durch. Welche Punkte sind für Sie neu?
Wozu Methoden?
Chemie und Germanistik, Theologie und Physik arbeiten auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Die einen machen Experimente, während die anderen Texte interpretieren. Aber im Kern folgen Geistes- und Naturwissenschaften doch den gleichen wissenschaftlichen und methodischen Standards. Mit Methoden kann man …
- … das eigene Vorgehen systematisieren, damit man nichts übersieht.
- … das eigene Vorgehen für andere nachvollziehbar machen, damit sie gegebenenfalls widersprechen und es besser machen können.
- … das eigene Vorgehen reflektieren: Passen meine Methoden zu der Frage, die ich beantwoten möchte? Mit einer Methode kann man oft nur ganz bestimmte Aspekte herausfinden.
Erster Überblick über bibelwissenschaftliche Methoden
Wenn Sie bibelwissenschaftliche Methoden ganz grob in ihrem Grundanliegen einordnen können, ist das gerade zu Beginn schon eine wichtige Orientierungshilfe. Dazu gibt es – vereinfacht gesagt – zwei Schubladen, in die sich viele Methodenschritte einsortieren lassen: So unterscheidet man in den Bibelwissenschaften synchrone und diachrone Methoden.
Synchron bedeutet, dass man einen Text in einer bestimmten Erscheinungsform untersucht, die er zu einem festgelegten Zeitpunkt seiner Entstehungsgeschichte hatte. Das heißt heute in den meisten Fällen, dass man allein den Endtext untersucht, wie er uns in der Textausgabe heute vorliegt.
Diachron bedeutet dagegen, dass man die Entstehungsgeschichte eines Textes nachzeichnet. Man schaut sich also an, wie ein Text zu dem geworden ist, was wir heute beispielsweise im Matthäusevangelium lesen können. Der Begriff griechische Begriff „diachron“ lässt diese Lese-Richtung „durch die Zeit“ ganz gut erkennen: dia/διά bedeutet „durch“ oder „hindurch“, chronos/χρόνος bedeutet „Zeit“.
Soweit zur eigentlichen Bedeutung von „synchron“ und „diachron“. In der Exegese ist es darüber hinaus aber auch üblich, die Begriffe zusätzlich noch in einem anderen Sinne zu verwenden, und zwar so:
Häufig versteht man unter „synchronen Methoden“ auch einfach die Methoden, die textimmanent arbeiten, also in erster Linie den Text lesen, wie er heute ist, und die darauf verzichten, Zusatzinformationen von außen an den Text heranzutragen.
Unter „diachronen Methoden“ versteht man dann diejenigen, die den Text historisch und kulturell einordnen, also externes Wissen aus der Umwelt zur Interpretation heranziehen.
Die folgende Liste liefert Ihnen ganz knappe Erklärungen zu den Methodenschritten, die Sie im Laufe des Semesters genauer kennenlernen werden.
Lesen Sie sich die Erklärungen in Ruhe durch und notieren Sie sich die Methoden, die Sie eindeutig als (1) synchron oder (2) diachron identifizieren würden.
Die meisten der oben genannten Methoden könnte man folgendermaßen zuordnen (gewisse Unschärfen bleiben bei manchen Schritten, ich habe mich hier für eine eindeutige Zuordnung entschieden):
synchrone Methoden
- Textabgrenzung
- Gliederung
- Komposition
- Semantische Analyse
- Handlungssequenz-Analyse
- Aktantenanalyse
diachrone Methoden
- Synoptischer Vergleich
- Literarkritik
- Redaktionskritik
- Gattungskritik
- Zeit- und Sozialgeschichte, Traditionsgeschichte und Religionsgeschichte
Es bleiben übrig: die pragmatische Analyse und die Textkritik. Bei der pragmatischen Analyse ist es so, dass es eher eine Fragehaltung ist, die man für die Auswertung verschiedener methodischer Ansätze verwenden kann, daher sind synchrone wie diachrone Zugänge denkbar. Die Textkritik stellt aus verschiedenen historischen Textzeugen überhaupt erst eine Textedition her, mit der wir arbeiten können. Daher arbeitet sie deutlich historisch und rekonstruierend und ist somit eher zu den diachronen Zugängen zu zählen.
Ich will nicht verschweigen, dass die Einteilung der Methoden in synchron und diachron zunehmend auch kritisch gesehen wird. Sönke Finnern [1] Finnern, Sönke: Narratologie und biblische Exegese. Eine integrative Methode der Erzählanalyse und ihr Ertrag am Beispiel von Matthäus 28 (WUNT II/285), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 8–12. plädiert etwa dafür, die Begriffe am besten ganz zu vermeiden und einfach stets zu sagen, was man meint. Dennoch scheinen sie mir als erste Orientierung im Methoden-Dickicht nach wie vor ganz brauchbar zu sein.
Alle Beiträge vom Bibeldoktor finden Sie unter https://hoelschermichael.de/proseminar/
Dort finden Sie auch Hinweise zur Organisation des Proseminars (mit Teilnahmebedingungen), den Sendeplan für die einzelnen Folgen sowie erste Lese-Tipps und gängige Bibelausgaben.
Anmerkungen
↑1 | Finnern, Sönke: Narratologie und biblische Exegese. Eine integrative Methode der Erzählanalyse und ihr Ertrag am Beispiel von Matthäus 28 (WUNT II/285), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 8–12. |
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Eine sehr sehr gute Seite.
Hat uns sehr geholfen.
Gruß die schlauen.